Filippo Trajetta. Drei “Quartetti Concertati”

CD TRAJETTA

FRANCO SCIANNAMEO (Carnegie Mellon University – Pittsburgh, Pennsylvania)
Filippo Trajetta wurde am 8. Januar 1777 in Venedig geboren. Er war Sohn des berühmten Opernkomponisten von Bitonto, Tommaso Traetta (Trajetta), und der russisch-finnischen Künstlerin Elizabeth Sund. Das Paar lernte sich in Sankt Petersburg kennen, als der Vater zu der Zeit im Dienst von Katharina II stand.
Als der Vater zwei Jahre später starb, musste sich die Mutter um die Erziehung des Sohnes kümmern. Elizabeth kehrte nicht zu ihren Eltern nach Sankt Petersburg zurück, sondern blieb in Venedig, wo Filippo die öffentliche Jesuitenschule besuchte und sich dann der Musik widmete, unter der Leitung von Salvatore Perillo, einem Freund der Familie. Perillo empfahl dem Jungen, nach Neapel zu fahren, um dort Harmonie und Kontrapunkt bei Fedele Fenaroli und Komposition bei dem seit kurzem von Paris nach Neapel zurückgekommenen Niccolò Piccinni zu studieren.
In Neapel traf Filippo auf eine Stadt, die in einer republikanischen Begeisterung durch die jakobinische Idee geprägt war. Er schloss sich der revolutionären Bewegung an und wurde, zusammen mit Domenico Cimarosa, Autor patriotischer Hymnen, deswegen von den bourbonischen reaktionären Truppen verhaftet. Nach acht Monaten im Gefängnis befand sich Filippo als blinder Passagier an Bord des Schiffes Mount Vernon, mit Ziel Amerika, und kam am 3. Juli 1800 in Salem, Massachusetts an.

Es ist nicht einfach, kurz und bündig zu erklären wie, wann und warum der Musiker/Patriot vom Gefängnis des Castel dell‘Ovo entführt wurde: Erst befand er sich heimlich an Bord eines Bootes, das ihn nach Messina brachte, später an Bord des amerikanischen Schiffes mit zwei anderen Exilanten, dem Maler Felice Corné und einem anderen anonymen Mann. Hier genügt es zu wissen, dass es dabei um eine Aktion russischer Freimaurer handelte, von denen Trajetta und Cimarosa gerettet wurden. Die zwei hatten Kontakte zum Sankt Petersburger Hof und waren Brüder in der Freimaurer Geheimgesellschaft, in der auch der amerikanische Reeder Elias Hasket (Besitzer des Mount Vernon) und sein Sohn Elias Hasket Jr., Kommandant des Schiffes, tätig waren.
Von Salem zog Trajetta nach Boston um, wo er mit zwei anderen Emigranten, dem Deutschen Gottlieb Graupner und dem Franzosen Francis Mallet zusammen das American Conservatorio of Boston gegründete, die erste Musikschule in Amerika, welche den europäischen didaktischen Prinzipien zugrunde lag. Der unruhige Trajetta hielt es nicht lange in Boston aus und zog 1801 nach Charleston, South Carolina um. Dort arbeitete er als Komponist, Impresario, Dichter, Sänger und Instrumentalist. Zu dieser Zeit wurde die Sinfonia Concertata (1803) für Orchester komponiert und wahrscheinlich auch die Tre Quartetti Concertati, die für diese CD aufgenommen wurden. Nach einer etwa sechsjährigen Periode in Charleston wurde Filippo Trajetta von einer alten, in Amerika angesiedelten Berühmtheit, Lorenzo Da Ponte, zu sich nach New York gerufen. Er inspirierte Trajetta zur Komposition eines Stücks für Maria Garcia, einer der berühmtesten Sängerinnen dieser Zeit. Trajetta kam jedoch nicht sofort nach New York, so wie es sich Da Ponte vorgestellt hatte, sondern Monate später, als die Situation eine ganz andere war: Maria, verheiratet mit einem gewissen Malibran, hatte die Stadt plötzlich verlassen. Nachdem der Plan mit Da Ponte nicht aufgegangen war, gründete Filippo mit seinem Schüler und Kollegen Uri K. Hill eine andere Schule, das American Conservatorio of New York, nach dem Modell der Akademie von Boston. Die Arbeit von Trajetta in New York war sehr erfolgreich: Er komponierte für das Theater und widmete sich verschiedenen Werken patriotischer Natur, wie das weltliche Oratorium Peace (Jubilate), ein Gedenken an das Ende des englisch-amerikanischen Konflikts von 1812. Durch Freundschaften mit hohen Persönlichkeiten hatte er auch Kontakt zur politischen Welt und genoss deswegen die Freundschaften von den Präsidenten James Madison und James Monroe, beide Freimauer, wie auch schon von George Washington.

Die Angehörigkeit zur Freimaurerei spielte nochmals eine wichtige Rolle in Trajettas Leben: Er wohnte in Virginia in einem Landsitz, der sich nicht weit weg von der Hauptstadt Washington befand und der der Bundesregierung zur Verfügung stand, vermutlich für heimliche, diplomatische Mandate. Man sollte nicht vergessen, dass Trajetta verschiedene Sprachen inklusiv Russisch sprach, die ihm bei den Verhandlungen über den Frieden von Gent hilfreich waren (1812).
1828 zog er endgültig nach Philadelphia, wo er ein anderes American Conservatorio gründete. Dort komponierte er The Daughter of Zion (1829) und Jerusalem in Affliction (1830), die ersten Oratorien, die in Amerika geschrieben wurden. Außerdem verfasste er Lehrschriften, wie The Art and Science of Music (1829). Er unterrichtete eine außerordentliche Menge an Schülern. Nach seinem Tod ließen diese Schüler seine Lehrschriften mehrmals drucken, so blieben seine Werke auch im XX. Jahrhundert erhalten.
Filippo Trajetta starb am 9. Januar 1854 in Philadelphia, wertgeschätzt von seinen Schülern und der Freimaurergesellschaft.
Seine Arbeit in Amerika war wichtig, wie sich vor allem in seinen Lehrschriften und wenigen, in Fragmenten erhaltenen Kompositionen zeigt. Die Tre Quartetti Concertati, die in handgeschriebenen, aber nicht autographischen Teilen bei der Historical Society of Pennsylvania in Philadelphia aufbewahrt sind, stammen vermutlich aus den ersten Jahren seines Aufenthalts in Charleston. Die Teile der drei Stücke haben kein Datum, keine Ortsangabe oder performativen Zweck, aber stilistische Affinitäten deuten darauf hin, dass die Quartette zu derselben Zeit wie die Sinfonia Concertata komponiert wurden, deren Autograph als „Charleston 1803“ datiert ist.
Trajetta benannte seine Quartette als „konzertiert“, weil die Teile miteinander fast einen Dialog führen. Diese sind ganz anders als die zu dieser Zeit modischen „quartetti brillanti“, d.h. Quartette, in denen die erste Geige die Hauptrolle spielt.
Das erste, lebhafte, freudige, in der Es-Dur Tonart verfasste Quartett ist in vier Teile aufgeteilt, nach dem Modell von Franz Joseph Haydn: Allegro moderato – Cantabile – Minuetto e Trio – Allegro. Im ersten Satz folgt Trajetta der klassischen Form der Sonate (Exposition der Themen, Entwicklung und Wiederholung, ohne Exkurse zu den von dem Akademismus imponierten Regeln), fokussiert sich aber auch auf die „concertato“ Eigenschaft des Werkes. Zum Beispiel kann man in den Takten 35-38 die seufzenden Vorschlagsnoten erkennen, die, übernommen von einem Instrument zum anderen, die Gleichwertigkeit der vier Instrumentalisten garantieren. Dies lässt sich auch später bei den verschiedenen Bravourpassagen erkennen.

Dieser große Satz besteht aus 210 Takten in 4/4, im Gegensatz zum kurzen Cantabile, einer Romanze in B von 52 Takten, die ihm folgt. Der Minuetto e Trio all’Ebraica ist auch sehr kurz (24+24 Takten in 3/4) und das Trio wiederholt sich, wenn man es von rechts nach links liest, deshalb all’Ebraica (nach hebräischer Art).
Trajetta benutzt dieselbe lustige Idee in der Sinfonia Concertata, geschrieben in Charleston im Jahre 1803: Sichtbar ist eine starke stilistische und zeitliche Beziehung zwischen den Quartetti und der Sinfonia. Im finalen Satz (Allegro) komponiert Trajetta in einer agilen Schreibweise, voll von scherzhaften Elementen für Bratsche und Cello.
Der erste Satz des zweiten Quartetts in F-Dur ist ruhiger, ähnlich dem Sturm und Drang, den Trajetta im zweiten Satz (Andante in F-Mol), voll entfaltet. Das knappe Minuetto e Trio, entsprechend in F-Dur und B, fungiert als ein Intermezzo (Zwischenspiel) zum ganzen Werk und als Präludium (Auftakt) zum finalen Rondò, geprägt von einem mediterranen Einfluss. Hier wechseln die Stimmen der Bravourpassagen ab, als ob sie improvisierte Figuren einer hypothetischen Commedia dell’arte wären.
Im dritten Quartett in C-Dur zeigt Trajetta mit rhythmischen und dynamischen Wiederholungen einen grossen Elan, typisch für die Romantik. Wenn dieser Elan nicht beim ersten Beethovenquartett gefunden werden kann, dann sicher bei Viotti, der zahlreiche Konzertquartette geschrieben hat, welche die Pariser Kammermusik überschwemmten. Der zweite Satz verzichtet auf das übliche langsame Tempo zu Gunsten eines einfachen, carillon-ähnlichen Themas und vier Variationen, die das Spiel der zweiten Geige, des Cellos, der Bratsche, und schließlich der ersten Geige hervorheben. Auch in diesem Quartett, wie in dem ersten, gilt dieser Satz als Zwischenspiel/ Auftakt zum finalen Fugato, einer strenge Passage, in dem Trajetta seine kontrapunktischen Fähigkeiten zeigt und seinen Streichquartettzyklus nach der Norm schließt.
Zum Schluss könnte man zwei Hypothesen erwähnen: Nach der ersten sind diese Quartette, wie die Sinfonia Concertata und die Gedichtsammlung Delle Poesie, 1803 in Charleston komponiert als Eintrittswerke in die berühmte Accademia di S. Cecilia, der berühmtesten Konzertgesellschaft der Südstaaten, verfasst wurden. Laut der zweiten Hypothese dagegen sind die Quartette in Neapel mit Piccini als Mentor komponiert worden, und folgen dem Vorbild seines Onkels, dem in Bari geborenen Komponisten Gaetano Latilla. Latilla ist 1788 in Neapel gestorben, und seine Six Quartettos for Two Violins, Tenor and Violoncello obligato wurden 1765 in London veröffentlicht, wo sie für ihren erfrischenden Stil und das ausgezeichnete Quartettschreiben sehr geschätzt wurden.

(Übersetzung: Dóra Bodrogai)

Quartetto N°3 in Do maggiore

President’s March:

Digressione Music

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